Ja, selbst der Besuch im Nachbardorf hatte Seltenheitswert. Eine 95-jährige Westerländerin berichtete 1947 einem Chronisten von einer Bekannten ihrer Mutter zu erzählen. Diese hatte zu Beginn des Jahrhunderts eine Schifffahrt von Munkmarsch zum gut 20 Kilometer entfernten Hoyer unternommen. Dort angekommen, staunte sie überwältigt: “Man soll‘s nicht glauben, wie groß die Welt doch ist.”
In Wenningstedt lebte eine Frau mit Namen Sarah Nielsen, die war 1877 geboren. Als Greisin über ihre Ausflüge befragt, sagte sie: “Im Alter von zehn Jahren habe ich mit meinem Vater und zwei Brüdern eine Fahrt zum Festland unternommen, um Verwandte in der Nähe von Niebüll zu besuchen. Diese Reise ist die einzige meines Lebens geblieben; ich habe die Insel nie wieder verlassen.” Sarah Nielsen ist in ihrem Leben niemals mit der Eisenbahn gefahren; auch nicht mit der Sylter Inselbahn, obwohl deren Schienen keine 300 Meter weit entfernt von ihrem Wohnhaus verliefen.
In Morsum war Christine Johannsen zuhause; sie war 1868 in Keitum geboren worden. Die Inselorte Hörnum, Rantum und List suchte die Frau nur jeweils ein Mal auf, als sie eine Herde Schafe dorthin zum Gräsen führte. Das Festland aber hat sie Zeit ihres langen Lebens niemals gesehen. Foto: Archiv Deppe