„Wir sind doch gar nicht so weit auseinander. Es gibt eine breite Zustimmung, dass die Radwege verbessert werden müssen“, erklärte SPD-Politiker Gerd Nielsen, kurz bevor die Gemeindevertreter darüber abstimmen sollten, wie es mit dem Westküstenradweg weitergehen soll.
Das anschließende Votum und auch die vorherige Diskussion zeigte allerdings nicht nur, dass man sich im Detail uneins ist. Auch die Frage, wie die Bürgerinnen und Bürger am Entscheidungsprozess beteiligt werden sollen, wurde von den Parteien unterschiedlich beantwortet.
Ein kurzer Blick zurück: Bereits seit drei Jahren wird in verschiedenen Gremien darüber beraten, wo der Westküstenradweg entlangführen und wie er ausgebaut werden soll. Fachlich wird das Projekt seitdem vom Ingenieurbüro SHP aus Hannover begleitet, was mit Kosten von bisher 60.000 Euro verbunden ist. Die Selbstverwaltung begleitet das Thema zudem mit einer eigenen „Fahrradwerkstatt“. Seit der Gründung einer Bürgerinitiative steht vor allem der Lornsenweg im Norden Westerlands im Mittelpunkt der Diskussion. Anwohner wehren sich so gegen den geplanten Ausbau zum Fahrradweg.
Beschluss der Einwohnerversammlung
Grundlage der Diskussion in der Gemeindevertretung war nun ein Beschluss, der auf der Einwohnerversammlung vom 9. Juni mit großer Mehrheit der dort Anwesenden gefasst wurde und der drei Punkte beinhaltet. Die zwei allgemein gehaltenen Punkte fanden dabei die Zustimmung der Fraktionen in der Gemeindevertretung: Die Einwohner befürworten breitere Rad- und Fußwege, allerdings keine acht Meter breiten Trassen durch Dünen- und Heidelandschaft. Und die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Entwicklung eines zukunfts- und konsensfähigen Radverkehrskonzeptes soll umgehend umgesetzt werden.
Strittig bleibt allerdings die dritte Forderung der Einwohner, den Lornsenweg in seiner jetzigen Form als Fußweg zu erhalten. Da die SPD schon vor der Sitzung davon ausgegangen war, dass diese Forderung nicht konsensfähig sein würde, hatte sie zusammen mit den Insulanern, der Partei „Zukunft.“ und dem SSW den Antrag gestellt, ein Gremium einzusetzen, das einen Kompromiss erarbeiten sollte, um ihn von der Gemeindevertretung beraten zu lassen.
Gelebte Demokratie
Gerd Nielsen begründete den Vorstoß damit, dass die Bürger frühzeitig und schnell eingebunden werden sollten. „Das ist gelebte Demokratie“, so der SPD-Politiker. Zudem habe seiner Meinung nach der zuständige Fachausschuss wichtige Fragen bisher noch nicht beantwortet.
Mario Pennino von der Sylter Wählergemeinschaft lehnte dieses Vorgehen mit dem Hinweis ab, dass es mit dem Fachausschuss, dem Ortsbeirat und der Gemeindevertretung bereits genügend Gremien gebe, die öffentlich tagten und an denen sich die Bürger beteiligen könnten.
Die CDU-Fraktion plädierte dafür, die aktuelle Planung fortzuführen, da ansonsten die bisherige Arbeit von SHP zunichte gemacht werde und die damit verbunden 60.000 Euro „flöten gehen“. Zudem kritisierte Kay Abeling die seiner Meinung nach „aufgebauschte“ Diskussion und die Stimmungsmache der Initiative „Freunde des Lornsenweges“, in deren Folge die Bewohner des Seniorenheims in der Steinmannstraße dazu aufgefordert worden seien, sich an einer Unterschriftenaktion zu beteiligen. „Es wird immer so getan, als ob wir einen acht Meter breiten Fahrradweg bauen wollen. Es will niemand eine Fahrradautobahn bauen“, stellte der CDU-Politiker richtig. Vielmehr gehe es jetzt darum, aus dem bisher Entwickelten einen „echten Plan“ zu machen, der in den Gremien abgestimmt wird. Bei strittigen Bereichen wie etwa dem Lornsenweg müsse man gemeinsam mit den Bürgern entscheiden.
Nicht nur Schwarz oder Weiß
Auch Parteikollege John Bourne erklärte, dass er dem Willen der Bürger nachkommen wolle. In der jetzigen Diskussion spreche man aber nur über Schwarz oder Weiß, Ja oder Nein. Es existieren jedoch auch ganz viele Grauzonen. Zudem gebe es seiner Meinung nach neben dem Lornsenweg noch andere Probleme wie etwa den Übergang von der Elisabeth- in die Schützenstraße. Städte wie Kopenhagen würden zudem beweisen, dass ein verträgliches Miteinander von Radfahrern und Fußgängern durch entsprechende Bauten und Verkehrszeichen durchaus möglich wären und auch das Thema Geschwindigkeitsbegrenzung in die Planung von SHP einfließen würden.
Roland Klockenhoff von Bündnis90/Die Grünen erklärte ebenfalls, dass es nicht um einen Radschnellweg gehe, sondern um einen Radweg, der den modernen Erfordernissen gerecht werde. Mit den diskutierten acht Metern befasste er sich zwar auch, allerdings nur in Verbindung von Rad- und Fußweg zusammen mit einem Grünstreifen. „Ich kann die Anwohner verstehen, aber Rad- und Fußwegeausbau hat manchmal seinen Preis. Allerdings kann der Preis nicht sein, dass wir noch Jahre warten. Die Grünen halten daher an der bisherigen Planung fest, deren Feinheiten dann im Bauausschuss bearbeitet werden“, formulierte er den Standpunkt seiner Partei.
Ein Lapsus führt zur Ablehnung
Holger Weirup hält die angedachten acht Meter für „an den Haaren herbeigezogen“, schließlich würden seiner Meinung nach einzelne Zuwegungen für die Fußgänger ausreichen, um an den Strand oder die gastronomischen Betriebe zu gelangen. „Wenn man es möchte, ist es ohne weiteres möglich. Man muss es natürlich nur wollen“, so der SPD-Politiker.
Nur die unbeabsichtigte Abwesenheit von Lars Schmidt während der Abstimmung, führte dazu, dass das Thema Lornsenweg auch nach der Sitzung weiterhin diskutiert werden muss: „Ein solcher Lapsus ist mir in 35 Jahren noch nicht passiert“, so der Vorsitzende der Partei Zukunft. Während der Diskussion hatte er noch erklärt, dass er für den Lornsenweg als Fußweg in seiner jetzigen Form stimmen werde. Nach Ende der fünfminütigen Sitzungspause saß er dann leider nicht als Zünglein an der Waage unter den Abstimmenden, sondern war auf dem Flur in ein Gespräch vertieft. So wurde der Erhalt des Lornsenweges bei Stimmengleichheit – 11 dafür und 11 dagegen – abgelehnt.
Dramatisch findet Schmidt das Ergebnis allerdings nicht: „Ich bin nicht unglücklich darüber, dass wir uns jetzt weiter damit beschäftigen.“ Seiner Partei schwebe schließlich eine große Lösung in Form eines integrierten Verkehrskonzeptes unter Einbezug des Autoverkehrs vor. Während der Sitzung plädierte er daher mit Blick auf den Westküstenradweg dafür, bis zur Kommunalwahl im Mai nächsten Jahres keine weiteren Planungskosten zu produzieren, schließlich sei das Thema „faktisch tot.“
Die Wahrscheinlichkeit, dass es bis dahin wiederbelebt wird, ist jedoch recht groß. Wie es Ulrike Körbs von den Insulanern auf der Sitzung formulierte: „Willkommen im Wahlkampf.“